Übersicht historischer Tunnelvermessung

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Dieser kurze Überblick zeigt, dass die Vermessungsarbeiten im Laufe des Baus der großen Alpentunnel immer anspruchsvoller wurden. Waren Anfangs noch einfache oberirdische Absteckungen möglich, mussten zum Schluss sogar Möglichkeiten gefunden werden, Kurven innerhalb des Tunnels anlegen zu können und trotzdem sicherzustellen, dass sich die von beiden Portalen gegrabenen Richtstollen in der Tunnelmitte treffen würden.

 

Altertum Längere Tunnelbauten wurden überwiegend in der sogenannten Quanat-Bauweise erstellt. Dabei wurden entlang der Tunnelachse vertikale Schächte abgetäuft und von den Schachtböden aus gleichzeitig horizontale Stollen gegraben, die dann zum endgültigen Tunnelquerschnitt erweitert wurden.

Dadurch waren die zu vermessenden Tunnelabschnitte in der Regel relativ kurz und es konnte durch den oberirdischen Zugang die Richtung der Tunnelachse kontrolliert werden. Längere Tunnel, die nur von beiden Portalen gegraben wurden, wie beispielsweise der Eupalinos-Tunnel auf Samos wurden entweder über eine genaue oberirdische Absteckung oder über Theodoliten-Vergänger wie die Dioptra vermessen [307].

 

Frejus Das erste lange Alpentunnel, das nur von beiden Portalen gegraben wurde, war eine große Herausforderung für die damalige Vermessungstechnik. Es wurden mehrere Versuche für eine oberirdische Absteckung zwischen den Achspunkten bei Modane und Bardonecchia durchgeführt, bevor sich letztendlich ein befriedigendes Ergebnis einstellte (durchgeführt in den Jahren 1857 und 1858). Erleichtert wurde die Absteckung durch die einfache  Topologie der Frejus-Massivs, das es erlaubte, mit wenigen Punkten eine direkte Absteckung zu erreichen.

Zusätzlich wurde ein Triangulationsnetz angelegt, das aber nur zur Bestimmung der Tunnellänge verwendet wurde.

Der Durchschlag erfolge am 26.12.1870 um 05:20 Uhr, die Abweichung ist historisch nicht exakt überliefert, betrug jedoch ca. 40 cm [701]. Eine Quelle [801] nennt jedoch genauere Daten: 45,7 cm (Richtung), 4,0 cm (Höhe)  

 

Gotthard Wegen der komplexen Topologie des Gotthard-Massivs war eine durchgängige oberirdische Absteckung zwischen den Achspunkten Göschenen und Airolo nicht möglich. Es wurde daher ein Triangulationsnetz zur Bestimmung der Tunnelachse und -länge von Otto Gelpke im Jahr 1869 angelegt. Zur Kontrolle wurde von Carl Koppe im Jahr 1874 eine zweite, vollkommen unabhängige Triangulation durchgeführt. Beide Triangulationen wurden zudem durch astronomische Positionsbestimmungen bestätigt.

Etwas Unruhe kam kurz vor dem Durchschlag auf, da man nicht sicher war, dass die Richtstollen sich wirklich treffen würden. Ein Verfehlen der beiden Tunnelröhren hätte kostspielige Nacharbeiten oder gar das Scheitern des gesamten Projekts zur Folge gehabt. Zwischenzeitlich wurde sogar vorgeschlagen, auf der einen Seite einen starken Magneten einzubringen und auf der anderen Seite die Vortriebsarbeiten nach einer entsprechenden Anzeige einer Magnetnadel zu lenken (eine im Bergbau bereits bewährte Methode).

Der Durchschlag erfolgte dann aber tatsächlich am 29.02.1880 mit einer Abweichung  von nur 33 cm (Richtung) und 5 cm (Höhe). Später zeigte sich, dass die Tunnellänge um 7,10 Meter aufgrund einer fehlerbehafteten Basisbestimmung zu kurz bestimmt worden war, was aber nicht zu einer Fehlberechnung der Achsrichtung führte.

Näheres siehe in den Originalunterlagen von Otto Gelpke und Carl Koppe [501] - [506]. Insbesondere in [506] wird deutlich, dass die beiden Ingenieure durchaus unterschiedliche Vorstellungen zur richtigen Vorgehensweise hatten. Zwischen den Zeilen wird sogar eine gewisse Animosität sichtbar.

Näheres siehe hier

 

Simplon Ähnlich wie am Gotthard war eine oberirdische Absteckung des Tunnels am Simplon zwischen den Achspunkten Brig und Iselle nicht möglich. Die Triangulationsarbeiten wurden von Max Rosenmund im Jahr 1898 durchgeführt. Der Durchschlag der insgesamt 19.803 Meter langen Tunnelröhre erfolgte am 23.02.1905 um 07:20 Uhr mit einer Abweichung von nur 20,2 cm (Richtung) und 8,7 cm (Höhe). Zur Kontrolle der Triangulation wurde ebenfalls eine astronomische Positionsbestimmung der Achspunkte durchgeführt.

Bei der Netzkontrolle zeigten sich nach der Vermessung größere Schlußfehler (Winkelsumme in den Triangulations-Dreiecken unter Berücksichtigung des sphärischen Exzesses war nicht 180 Grad). Wiederholte Messungen brachten keine Verbesserung des Ergebnisses. Es zeigte sich, dass die größten Fehler bei steilen Theodolit-Visuren (vom Tal auf die Gipfelsignale oder umgekehrt) auftraten. Das war ein Hinweis darauf, dass der Theodolit bei den entsprechenden Messungen nicht exakt horizontal ausgerichtet war (mittels Libelle oder Lot) und die Horizontalwinkel entsprechend fehlerhaft bestimmt wurden.

Die Abweichung aus der Horizontalen wurde durch Lotabweichungen, hervorgerufen durch die umgebenden Gebirgsmassen, erklärt. Normalerweise zeigt ein Lot (oder eine Libelle) immer genau senkrecht zum Erdmittelpunkt. Befinden sich jedoch große Gebirgsmassen in der Nähe, wird das Lot durch die Massenanziehung abgelenkt. Rosenmund bestimmte daraufhin aus den sichtbaren Gebirgsprofilen und einer angenommenen Durchschnittsmasse schätzungsweise die theoretischen Lotabweichungen und korrigierte damit die Winkelmessungen. Dies führte zu einer wesentlichen, akzeptablen Verbesserung der Schlußfehler. Wären die Lotabweichungen nicht berücksichtigt worden, wäre der Durchschlagsfehler um 26 cm angestiegen.

Näheres siehe hier

 

Lötschberg Zunächst  war die Achsbestimmung des Tunnels zwischen den Portalen Kandersteg und Goppenstein keine besondere Herausforderung. Es wurde ein bereits bestehendes Triangulationsnetz der Landesvermessung des Berner Oberlands verwendet. Mit einigen Schwierigkeiten war sogar eine Kontrolle durch eine oberirdische Absteckung möglich. Das hatte den Vorteil, dass der Einfluss der Lotabweichungen direkt bestimmt werden konnte und letztendlich mit berücksichtigt wurde.

Erstmals durchgeführt wurde die Achsbestimmung durch T. Mathys im Jahr 1906. Unglücklicherweise verstarb dieser während der Arbeiten und aufgrund der unklaren Dokumentationslage mussten die Arbeiten durch seinen Nachfolger F. Bäschlin teilweise wiederholt werden.

Die Situation änderte sich grundlegend durch die Katastrophe am 24.07.1908, bei der nach einer Vortriebssprengung plötzlich Gesteinsmassen in den Richtstollen einbrachen und 25 Mineure verschütteten. Letztendlich konnte nur einer tot geborgen werden, die restlich liegen bis heute unter den Gesteinsmassen begraben. Der Richtstollen war auf eine Länge von 1500 Metern verschüttet und musste aufgegeben werden, die Bauarbeiten wurden für viele Monate eingestellt. Es zeigte sich, dass die geologischen Gutachten fehlerhaft waren und das darüberliegende Gasterntal tiefer eingeschnitten war als prognostiziert. Somit bohrte der Richtstollen geradewegs in die lockeren Sedimente und anschließende Versuchsbohrungen vom Tal aus zeigten, dass die geplante Tunnelachse über weite Strecken durch dieses Material führen würde. Die damalige Zeit hatte hierfür keine Vortriebslösung,  heutzutage würde wohl ein Schildvortriebsverfahren oder eine Vereisung entlang der Tunnelachse angewendet werden.

Die gleiche Katastrophe wäre beinahe auch am Gotthardtunnel passiert. Versuchsbohren vor dem Bau eines Kraftwerks im Jahr 1940 zeigten, dass der Tunnel nur 30 Meter tiefer liegt als die Sedimentschichten des darüberliegenden Urserntals bei Andermatt, was beim Bau des Tunnels ebenfalls unbekannt war, siehe [509].

Die Tunnelachse musste also in festes Gestein verlegt werden, was Kurven innerhalb des Tunnels erforderlich machte. Bislang waren alle langen Tunnel nur in gerader Linie von den Portalen aus Vermessen worden. Selbst wenn der endgültige Tunnel an den Portalen in eine Kurve übergeht, so waren die Richtstollen für die Vermessungsarbeiten stets geradlinig angelegt. Es wurde ein Gutachten erstellt, das die prinzipielle Machbarkeit der Vermessungsarbeiten bestätigte. Bäschlin führte die Vermessungsarbeiten an den Kurven mittels Polygonzügen durch und der Durchschlag des Tunnels am 31.03.1911 um 03:55 Uhr zeigte eine Abweichung von nur 25,7 cm (Richtung), 10,2 cm (Höhe) und 41,0 cm (Länge) - trotz aller Schwierigkeiten.

Damit waren die prinzipiellen Probleme der Tunnelvermessung für die Zukunft gelöst, man konnte jetzt sogar Tunnels mit Kurven bauen und sich trotzdem sicher sein, dass sich die Richtstollen im Inneren des Bergs treffen würden!

Näheres siehe hier.