GPS |
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Anwendungsfall 2007: Triangulation Gotthardtunnel
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AlpenTunnel.de und GPS? |
Was hat GPS bei uns zu suchen? AlpenTunnel.de beschäftigt sich doch mit historischen Tunnelbauten und historischer Vermessungstechnik? Ganz einfach: Im Zuge von Expeditionen sollen beispielsweise alte Triangulations-Signale aufgesucht und deren Positionen neu bestimmt werden. Dazu war die ursprüngliche Planung, zumindest eine gesicherte Genauigkeit im Meterbereich zu bekommen. Dazu reichen die herkömmlichen Low-Cost-Empfänger aber nicht aus, weshalb wir zunächst mal ein geeignetes (und erschwingliches) System finden mussten. An dieser Stelle möchten wir uns recht herzlich bei der Dr. Doris Bertges Vermessungstechnik [308] bedanken, die uns mit Rat und Tat zur Seite stand.
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Erzielbare Genauigkeiten und Systemkosten |
Die Genauigkeit eines GPS-Empfängers zu definieren ist
bei näherer Betrachtung nicht einfach. Meint man eine absolute
Genauigkeit bezogen auf ein Bezugssystem? Oder eine relative? Oder die
Stabilität im Zeitverlauf? Etc., etc... Die folgende Tabelle gibt eine realistische Vorstellung der erzielbaren absoluten Genauigkeiten und der Systemkosten (Empfänger, Antenne, Software, etc.). Wichtigste Unterscheidung hierbei ist, ob die Daten in Echtzeit (z.B. für Absteckarbeiten) benötigt werden oder es ausreicht, diese später im Büro zu errechnen (Post-Processing):
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Obwohl die Genauigkeit von GPS "nur" bei ~7 m liegt lassen sich mittels Korrekturverfahren (DGPS und Referenzdaten) tatsächlich Genauigkeiten im mm-Bereich erreichen. Allerdings dann zu Kosten, die im professionellen Bereich liegen. Selbst Leihgeräte für kurze Zeit sind außerhalb einer beruflichen Nutzung kaum erschwinglich.
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Das GPS von AlpenTunnel.de |
In der obigen Marktübersicht lässt sich erkennen, dass es eine Lücke zwischen Meter- und Zentimeter-Genauigkeit gibt. Das bedeutet, dass man für sichere Submeter-Messungen auch gleich cm-genau messen kann, ohne einen großen Kostensprung zu machen. Damit wuchsen auch bei AlpenTunnel.de die Begehrlichkeiten und es sollen cm-genaue Messungen möglich sein. Damit lassen sich dann zukünftig beispielsweise Positionen historischer Vermessungssignale so genau bestimmen, dass eventuelle Messfehler der damaligen Zeit entdeckt werden können. Eine hohe Genauigkeit in Echtzeit wird dabei nicht benötigt, sodass auf eine kostengünstige Lösung zurückgegriffen werden kann.
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Das GPS-System besteht aus einem Leica GS20 mit externer geodätischer Antenne Novatel 701 und einem Stativ. Damit ist das Gesamtsystem sehr kompakt, leicht (ca. 1,5 kg) und mobil. So können dann auch hochgelegene Vermessungssignale in den Alpen bestimmt werden, zu denen eine längere Bergwanderung notwendig ist. |
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Das Leica GS20 ist ein Handheld-GPS-Empfänger für L1-Phasenmessungen. Es verfügt über eine interne Antenne, jedoch ist die Verwendung einer externen Antenne für cm-Genauigkeit unerlässlich. Rechts im Bild ist das Lot über einem trigonometrischen Punkt zu sehen. |
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Die Antenne ist mit einer kleinen Traverse auf einem Fotostativ montiert. Die Traverse verfügt über eine Dosenlibelle, damit sie horizontiert werden kann, um die Antenne exakt senkrecht zu stellen. Vertikal unter dem Referenzpunkt der Antenne ist eine Lotschnur angebracht, damit die Antenne genau über dem Bodenpunkt positioniert werden kann. |
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Impression während der Messung in der Dämmerung. |
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Messverfahren |
Folgend wird die Vorgehensweise beim GS20 zur Messung von Positionen mit cm-Genauigkeit beschrieben. Nachdem das GPS stabil über dem Bodenpunkt mittels Lot und Dosenlibelle positioniert ist, wird für mindestens 15 Minuten eine Einfrequenz-Trägerphasenmessung durchgeführt. Dabei werden im Sekundentakt die Rohdaten der gemessenen Satellitensignale abgespeichert. Falls auch die Höheninformation ausgewertet werden soll, muss zusätzlich mittels Maßband die Höhe der GPS-Antenne über dem Bodenpunkt gemessen werden.
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Nach dem Beenden einer Messreihe werden die Rohdaten ausgelesen und dem Post-Processing unterzogen. Dabei werden die gemessenen Daten mit Daten einer Referenzstation abgeglichen, die im gleichen Zeitraum (occupation) die gleichen Satellitensignale abgespeichert hat. Dadurch werden sogenannte Baselines berechnet, die eine hochgenaue Korrektur liefern:
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Referenzdaten können von einem zweiten, fest stationierten
GPS bezogen werden oder aus Referenznetzen kommerzieller Anbieter. Der
kostenpflichtige SAPOS©-Dienst der Landesvermessungsämter bietet hierzu
die virtuelle Referenzstation (VRS), die sich frei in der Nähe des zu
vermessenden Gebiets positionieren lässt und ihre Daten aus der Vernetzung
mehrerer GPS-Referenzstationen in der Umgebung erhält. Im Bild ist die VRS ca. 500m von dem Messpunkten West entfernt positioniert und nach dem Postprocessing liefert die Baseline (grün) hochgenaue Korrekturen.
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Zur Beurteilung der Wiederholgenauigkeit bietet es
sich an, an mehreren Tagen hintereinander, unter verschiedenen klimatischen
Bedingungen, die Messung zu wiederholen. Die Messung im Bild wurde an einem
Trigonometrischen Punkt (TP) im Ostpark in München vorgenommen. Der
maximale horizontale Abstand (West1 und West3) beträgt 9mm,
Der maximale vertikale Abstand (West2 und West3) hingegen 35mm
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Zur Beurteilung der
relativen Genauigkeit kann der Abstand zweier bekannter Punkte
gemessen werden. Dazu wird zunächst der Mittelwert der obigen TP-Position
bestimmt und nach dem gleichen Verfahren ein weiterer TP etwas weiter
östlich eingemessen.
Die Abstandsdifferenz erschien etwas groß und es zeigte
sich nach einer Überprüfung der Versicherungspunkte, dass
der TP Ost um ca. 6cm nach Nordost verschoben ist, was bezüglich des
Abstands etwa 4cm ausmacht.
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Die Beispiele zeigen Berechnungen im GPS-Koordinatensystem WGS84 (Länge, Breite, Höhe über dem Ellipsoid). Zur Beurteilung einer absoluten Genauigkeit in Bezug auf ein lokales Koordinatensystem (X, H, Gebrauchshöhe: z.B. Gauß-Krüger-Koordinaten oder Swiss-Grid) muß eine Koordinatentransformation erfolgen. Oben wurden einfache Tools zur Koordinatentransformation verwendet, die eine Abweichung von ca. 60 cm zur amtlichen Position des TPs ergeben. Die Transformation mit cm-Genauigkeit ist recht aufwändig (und damit in der Regel auch entsprechend teuer). Eine Ausnahme ist hierbei die Schweiz, bei der das Landesvermessungsamt Swisstopo die Transformation kostenfrei und online zur Verfügung stellt. Wie die Vermessung der Referenzpunkte im Gotthardgebiet zeigt (siehe hier), lassen sich bei sorgfältiger Vorgehensweise diese absoluten Genauigkeiten erzielen:
Diese Genauigkeit ist gemessen an dem Aufwand recht erstaunlich und ist damit eine Größenordnung besser als die eventuell aufzudeckenden historischen Vermessungsfehler.
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